Mathildenhütte Act.-Ges.

Allgemeines

FirmennameMathildenhütte Act.-Ges.
OrtssitzBad Harzburg (Harz)
Postleitzahl38667
Art des UnternehmensEisenhüttenwerk
AnmerkungenAnfang 1870er - 1880: "Aktien-Gesellschaft Harzer Union", dann "Aktien-Gesellschaft Mathildenhütte" im Eigentum von Fr. Grillo. Dazu das Erzbergwerk "Grube Friederike".
Quellenangaben[Reichs-Adreßbuch (1900)] [Bettgenhäuser: Industrieen des Hzgt. Braunschweig I (1899) 75+94]




Unternehmensgeschichte

Zeit Ereignis
1863 Bau eines Hochofens zur Verhüttung der Harzburger Erze auf Westeröder Feldmark bei Harzburg durch Bergwerkdirektor Castendyck und Konsul H. H. Meier aus Bremen, da die verhältnismäßig nicht sehr reichen Erze eine Verwertung in entfernt liegenden Hochöfen der hohen Frachtkosten wegen nicht zulassen.
Anfang 1870er Konsul H. H. Meier verkauft Grube und Hütte an die "Aktien-Gesellschaft Harzer Union" in Hannover.
1878 Die "Aktien-Gesellschaft Harzer Union" falliert, und die Produktion wird vorübergehend ganz eingestellt.
1880 Friedr. Grillo in Essen a. Ruhr kauft die Grube Friederike, Mathildenhütte nebst anderem Grundbesitz und Gerechtsamen der früheren "Harzer Union" und gründet die "Aktien-Gesellschaft Mathildenhütte" mit einem Aktienkapital
von 3.000.000 Mk., um das alte Werk auszubauen.
Anfang der 1880er Der neue Eigentümer Friedr. Grillo will in Bad Harzburg ein Hochofenwerk größeren Stils zu errichten. Er beginnt, das alte Werk auszubauen und mit allen modernen technischen Hilfsmitteln und Reserven reichlich auszustatten. Danach Wiederaufnahme der Produktion
Mitte 1883 Vom Aktienkapital in Höhe von 3.000.000 Mk. werden 600.000 Mk. zurückgezahlt
1885 Aufnahme der Fabrikation von Steinen aus Schlackensand. - Diese nimmt bald einen sichtlichen Aufschwung, so daß die Produktion durch Anlage von Dampfpressen, Mischmaschinen usw. ausgedehnt werden kann.
1891 Es tritt eine immer weitere Verstimmung auf dem Markte ein. Wo und sofern Bedarf zu decken ist, kauft man stets nur kleinere Mengen oder lebt von der Hand in den Mund, wodurch der Hütte eine Übersicht über die zukünftige Gestaltung
des Geschäftes genommen wird. Größere Lagervorräte sind unter solchen Umständen unvermeidlich, die Hoffnung
auf eine Belebung muß schließlich erstickt werden. Die Hütte ist mit Schluß des Jahres zu einer weiteren Betriebseinschränkung geschritten, da eine Fortdauer der jetzigen Konjunktur auf die Länge der Zeit unhaltbar wird.
1892 Bei der andauernd ungünstigen Geschäftslage kann es das Werk zu keiner Rentabilität bringen, und angesichts der Unmöglichkeit, den Aktionären bei der bisherigen Höhe des Aktienkapitals jemals eine Dividende zu zahlen, wird das Aktienkapital von 2.400.000 Mk. auf 1.200.000 Mk. herabgesetzt, einerseits um den Wert der Aktien auf den den Zeitverhältnissen entsprechenden Stand zurückzuführen, andererseits um den Reservefonds auf seine statutenmäßige Höhe zu bringen.
1895 Die mißlichen Verhältnisse des Werkes dauern fort bis zum Jahre 1895, wo trotz der luxemburgischen und englischen
Konkurrenz, teils in Folge günstigerer Lage des Eisenmarktes, teils in Folge der bis zur Vollendung verbesserten technischen Einrichtungen sowie sparsamster und rationellster Bewirtschaftung, eine kleine Besserung eintritt, so daß eine Dividende von 5 Prozent zur Verfügung gestellt werden kann.
1896 Es können 8 Prozent Dividende verteilt werden
1896 Die erfreuliche Konjunktur, welche den deutschen Eisenmarkt belebt hat, hält sich nicht nur, sondern es können für 1896 sogar noch weitere Aufbesserungen verzeichnet werden.
1896 Es können 8 Prozent Dividende verteilt werden.




Produkte

Produkt ab Bem. bis Bem. Kommentar
Eisen 1900 [Reichs-Adreßbuch (1900)] 1900 [Reichs-Adreßbuch (1900)]  




Betriebene Dampfmaschinen

Bezeichnung Bauzeit Hersteller
Dampfmaschine vor 1917 Ascherslebener Maschinenbau Act.-Ges., vorm W. Schmidt & Co.
Dampfmaschine 1899 Eisenwerk Carlshütte
Dampfmaschinen   Eisenwerk Carlshütte




Personal

Zeit gesamt Arbeiter Angest. Lehrl. Kommentar
1888   300      
1898 468 460 8   2 Betriebsführer, 4 Steiger, 5 Werkmeister, ca. 240 Bergleute, ca. 180 Hütten- und Steinfabrikarbeiter, ca. 20 Fuhrleute. Lohnsumme: 430.797,19 Mark = 15 Prozent des Gesamtumsatzes




Produktionszahlen

von bis Produkt im Jahr am Tag Einheit
1888 1888 Eisen 23705   t
1888 1888 Schlackensteine 3616780   Stück
1888 1888 Flußspat 1665   t
1889 1889 Eisen 21455   t
1889 1889 Schlackensteine 4320500   Stück
1889 1889 Flußspat 1970   t
1890 1890 Eisen 20735   t
1890 1890 Schlackensteine 4477240   Stück
1890 1890 Flußspat 2780   t
1891 1891 Eisen 20570   t
1891 1891 Schlackensteine 3916570   Stück
1891 1891 Flußspat 3875   t
1892 1892 Eisen 15715   t
1892 1892 Schlackensteine 4653250   Stück
1892 1892 Flußspat 4500   t
1893 1893 Eisen 20705   t
1893 1893 Schlackensteine 5546000   Stück
1893 1893 Flußspat 4815   t
1894 1894 Eisen 20300   t
1894 1894 Schlackensteine 6666000   Stück
1894 1894 Flußspat 5630   t
1895 1895 Eisen 21160   t
1895 1895 Schlackensteine 7433500   Stück
1895 1895 Flußspat 6360   t
1896 1896 Eisen 23260   t
1896 1896 Schlackensteine 9229800   Stück
1896 1896 Flußspat 7912   t
1897 1897 Eisen 24425   t
1897 1897 Schlackensteine 8712200   Stück
1897 1897 Flußspat 9650   t
1898 1898 Eisen 24290   t
1898 1898 Schlackensteine 8877200   Stück
1898 1898 Flußspat 11290   t
1898 1898 Gällivare-Erz 1900   t
1898 1898 Stahlschrott 955   t
1898 1898 Walzensinter 955   t
1898 1898 Eisenstein 61410   t
1898 1898 Kiesabbrände 4300   t
1898 1898 Kalkstein 9235   t
1898 1898 Koks 36395   t
1898 1898 Kohlen 590   t
1898 1898 Sand 1995   t




Allgemeines

ZEIT1884
THEMABesitz und Anlagen
TEXTDie Mathildenhütte besaß in Harzburg 2 Hochöfen mit 6 neuen Heißwindapparaten Cowper'schen Systems, 2 große und
1 kleine Gebläsemaschine, 1 Wasserradanlage u. s. w. mit sämtlicben erforderlichen Werkstätten, Gießhallen und Gebäuden, 22 Arbeiterwohnungen, und ferner außer der Brauneisensteingrube "Friederike", zwischen Clausthal und Osterode, eine Reihe höchst wertvoller Rotheisenstein-Gruben, wovon einige im Jahre 1884 neu erschlossen wurden.
QUELLE[Bettgenhäuser: Industrieen des Hzgt. Braunschweig I (1899) 94]


ZEIT1884
THEMAProdukte, Frachtkosten und Absatz
TEXTAuf dem Hochofenwerk der "Mathildenhütte" wurde ein Gießerei-Roheisen in der Qualität der Cleveland-Marken erzeugt.
Das Werk nahm damit als eines der ersten von den deutschen Hüttenwerken den Wettbewerb mit England auf. Die Erfolge
waren in den mitteldeutschen Staaten sehr befriedigend. Dagegen blieben andere Gebiete, wie z. B. Niederschlesien und Brandenburg, wo damals nur englisches Roheisen verbraucht wurde, wegen der hohen Eisenbahnfrachten größtentheils verschlossen. Die Höhe der Eisenbahnfrachten und der Mangel an für den Transport des Roheisens geeigneten Wasserstrassen wurde von der Mathildenhütte schwer empfunden. Schon Anfang der achtziger Jahre beantragte daher die Verwaltung bei der Direktion der Braunschweigischen Eisenbahn sowie bei der Königlichen Eisenbahndirektion zu Magdeburg eine Ermäßigung der Frachten für Roherze nach denjenigen Gebieten, in denen unter Benutzung des billigen Wasserweges ausschließlich das Ausland Produkte abzusetzen vermöchte, mit dem Hinweis darauf, daß dadurch kein deutsches Interesse geschädigt werde. Es läßt sich nicht verkennen, dass an dem Bestehen der Hütte außer den
von derselben beschäftigten Arbeitern die in den Jahren 1877 bis 1879 das Stillstehen des Werkes schwer empfunden hatten, auch die beteiligten Bahnverwaltungen einiges Interesse hatten. Brachte die Hütte doch der Braunschweigischen
Bahn 1884 an Frachten ein: für Koks, Kohlen und Erze: 881.678,79 Mk., Roheisen: 91.600,000 Mk. Indessen wurde dem Antrag auf Frachtermäßigung keine Folge gegeben. Die Geschäftsergebnisse waren Mitte der achtziger Jahre, die in Folge eines noch vergrößerten Angebots bei verringertem Bedarf einen erheblichen Preisdruck und dazu infolge der damaligen Zuckerkrise einen empfindlichen Rückgang des Absatzes gerade in Braunschweig und der umliegenden Gegend brachten, so schlecht, daß die Hütte ohne jeglichen Gewinn, nur um den Hochofenbetrieb nicht eingehen zu lassen, arbeitete. Damals ersuchte die Verwaltung den Preußischen Minister der öffentlichen Arbeiten um Ermäßigung der Frachten auf Kohlen und Koks, wie solche den Werken an der Lahn, Sieg und Dill zugestanden war, "da sonst die Existenz dieses bedeutenden Hochofen- und Bergwerksbesitzes in Frage gestellt sein würde". Unter anderen Verhältnissen ist dieses Gesuch wiederholt erneuert worden, ohne bisher den erwünschten Erfolg erzielt zu haben.
QUELLE[Bettgenhäuser: Industrieen des Hzgt. Braunschweig I (1899) 95]


ZEIT1891
THEMAKonjunktur
TEXTDie ungünstigen Konjunkturen des Eisenmarktes dauerten bis in die neunziger Jahre hinein. Das Jahr 1890 weist eine
plötzliche und enorme Steigerung der Durchschnittsfabrikatspreise (von 51,40 Mk. in 1889 auf 62,25 Mk. in 1890) auf. Aber schnell trat der Wandel ein. Die übertriebenen Spekulationen in schottischen Warrants, welche sich in großen Sprüngen auf- und abwärts bewegten, brachen ganz plötzlich um Mitte Januar zusammen, die Börsen folgten mit ihrer ungünstigen Auffassung der Lage, und seitens der Kundschaft trat eine vollständige Zurückhaltung ein, welche auch im Jahre 1891 noch lange angehalten hat. Mit nur kurzer Unterbrechung haben die Roheisenpreise eine rückgängige
Bewegung verfolgt.
QUELLE[Bettgenhäuser: Industrieen des Hzgt. Braunschweig I (1899) 96]


ZEIT1893
THEMAKonjunktur
TEXTDie Nachfrage blieb im ganzen gering, die Preise für Roheisen sanken, während die Zechen die Kohlen- und Kokspreise hochhalten konnten. Es wurde auch darüber geklagt, dass der ausländische Wettbewerb von Seiten des Kohlen- und Kokssyndikats bei den Einkäufen bevorzugt werde. In dem Absatzgebiete traf man nach wie vor die Konkurrenz Englands mit ihren billigen Notirungen an, denen die Hütte nicht in gleicher Weise folgen konnte. Daneben wurde schon damals die Luxemburger Konkurrenz fühlbar. Das Luxemburger Eisen gelangte auf dem Umwege über Antwerpen, Hamburg und Stettin unter Benutzung des billigeren Wasserweges in die eigentlichen und natürlichen Absatzgebiete der Mathildenhütte (Provinz und Königreich Sachsen, Provinz Hannover). Die der Mathildenhütte in beschränktem Maße gewährte Frachtermäßigung von 1,20 Mk. pro 1000 kg (Wegfall der Expeditionsgebühr) wurde auch den Luxemburger Werken nach den verschiedensten Stationen zugebilligt. Die Mathildenhütte strebte daher, um rücksichtlich der Preise mit den luxemburgischen Werken konkurrieren zu können, 1893 wiederum eine Frachtermäßigung für Koks aus Westfalen an.
QUELLE[Bettgenhäuser: Industrieen des Hzgt. Braunschweig I (1899) 96]


ZEIT1896
THEMAAbsatz und Konkurrenz
TEXTWenn es der Mathildenhütte trotzdem nicht gelungen ist, in so hohem Maße wie die Werke in Rheinland und Westfalen
von den erhöhten Eisenpreisen Nutzen zu ziehen, so lag dies nur an der englischen und - in noch höherem Maße - der
luxemburgischen Konkurrenz. Nicht nur blieben die Preise des englischen Eisenmarktes bis zum dritten Viertel 1896 niedrig, sondern, was noch dazu kommt, die See- und Flußfrachten von England über Hamburg elbaufwärts blieben so gering, daß es der englischen Konkurrenz möglich war, ihr Eisen zu sehr billigen Preisen in das Absatzgebiet der Mathildenhütte hinein zu verkaufen. Erst in den letzten Monaten des Jahres 1896 vermochte die Mathildenhütte ähnliche Preise wie Westfalen zu erzielen, nachdem die englischen Preise wieder gestiegen waren.
QUELLE[Bettgenhäuser: Industrieen des Hzgt. Braunschweig I (1899) 98]


ZEIT1899
THEMAKonkurrenz mit Luxemburg/Lothringen
TEXTVon Mitte 1897 bis 1899 kämpft die Mathildenhütte einen harten Kampf gegen die luxemburg-lothringische Konkurrenz.
Durch Neubau immer weiterer Hochöfen in Westfalen hat man sich dort von dem Bezuge luxemburg-lothringischen Eisens
nach Möglichkeit gelöst, wodurch in Luxemburg-Lothringen bedeutende Mengen Roheisen frei wurden. Außerdem sind auch
in Luxemburg-Lothringen eine beträchtliche Anzahl Hochöfen neu gebaut worden, so daß die Produktion an Gießerei-Roheisen dort für die Folge eine bedeutend höhere sein wird. Um diese unterzubringen, erschien im August und September 1897 eine Händlervereinigung im Absatzgebiete der Mathildenhütte und forderte für ein dem Roheisen derselben entsprechendes Konkurrenzprodukt einen erheblich niedrigeren Preis als die Hütte bisher erzielt hatte zur Lieferung im Jahre 1898. Der Grund, weshalb die Vereinigung zu erheblich niedrigeren Preisen als die Mathildenhütte verkaufen kann, liegt darin, daß die Gestehungskosten der luxemburgischen Hochöfen so außerordentlich gering und mit denen der Mathildenhütte gar nicht zu vergleichen sind. Es betragen nämlich die Gestehungskosten für luxemburg-lothringisches Gießerei-Roheisen im Durchschnitt kaum 36 Mk. per 1000 kg, während die Selbstkosten der Mathildenhütte für dasselbe Produkt bei gleichen Koakspreisen ab Zeche sich auf ca. 51 Mk. per 1000 kg stellen.
Die niedrigeren Selbstkosten der luxemburgischen Hochöfen sind größtentheils durch die bessere Beschaffenheit der luxemburgischen Erze bedingt. Während nämlich die luxemburgischen Hochöfen zur Herstellung von 1000 kg Roheisen 1000 bis 1100 kg Koks gebrauchen, muß die Mathildenhütte für 1000 kg Roheisen ca. 1500 kg Koks aufwenden. Außerdem können sich die Händler mit luxemburg-lothringischem Eisen in Süd- und Westdeutschland durch unverhältnismäßig höhere Preise für eventuelle Ausfälle in Nord- und Mitteldeutschland erholen, indem sie dort bis zu 10 Mk. und mehr pro
Tonne höhere Preise für ihr Roheisen erzielen, als sie dasselbe im Absatzgebiete der Mathildenhütte anbieten.
Nicht zum wenigsten kann die wiederholt genannte Konkurrenz die Mathildenhütte auch deshalb in ihrem natürlichen
Absatzgebiete unterbieten, weil sie grosse Posten Roheisen auf dem Wasserwege in die Elbehäfen bringt und von dort aus mit geringer Eisenbahnfracht an die Verbrauchsstellen in Provinz und Königreich Sachsen usw. weitergibt. Die Verkaufsvereinigung für luxemburgisches Eisen hat auch gar kein Geheimnis daraus gemacht, daß ihr die Existenz der Mathildenhütte im Wege sei; sie wird auch nichts unversucht lassen, dieselbe zu beseitigen.
QUELLE[Bettgenhäuser: Industrieen des Hzgt. Braunschweig I (1899) 99]


ZEIT1899
THEMAGefahr und Folgen der Betriebseinstellung
TEXTSollte die Vereinigung ihr Ziel erreichen und die Hütte gezwungen werden, ihren Betrieb einzustellen, so würden mit einem Schlage die vom Bergwerks-, Steinbruchs-, Hütten- und Steinfabriksbetriebe der Mathildenhütte beschäftigten ca. 450 Arbeiter und Beamte, die zum größten Teil in Harzburg ansässig sind, brotlos, und eine Bevölkerung von ca. 1500 Seelen in Not geraten. Denn sobald die Hütte genötigt wäre, ihren Betrieb einzustellen, würde damit auch der Eisensteingruben-, Kalksteinbruch- und Steinfabrikbetrieb aufhören, da diese durch ersteren bedingt sind. Die Hütte wäre dann auch nicht mehr in der Lage, jährlich ca. 9 bis 10 Millionen Bausteine zu liefern, welche in Harzburg
und Umgegend sicher vermißt werden würden. Demgemäß hat die Mathildenhütte, nicht zur Bekämpfung dieses Wettbewerbes, sondern nur um sich dagegen zu behaupten und der Arbeiterschaft die Arbeitsgelegenheit zu erhalten, wiederholt an die maßgebenden Preußischen Behörden den Antrag gestellt, die Frachten auf Koks aus Westfalen nach ihrer Verbrauchsstelle Vienenburg über die am 1. Mai 1895 für Koks zum Hochofenbetrieb allgemein eingetretene Herabsetzung hinaus zu ermäßigen. Ferner würde die gesammte Eisen-Industrie im Absatzgebiete der Mathildenhütte unter deren Betriebseinstellung leiden. Sobald nämlich die Mathildenhütte mit ihrem Roheisen mit dem luxemburg-lothringischen Material nicht mehr in Wettbewerb treten könnte, würde der Preis für letzteres seitens der mit dem alleinigen Vertriebe desselben betrauten Händlervereinigung sicher sofort in die Höhe getrieben werden und zwar um so mehr, als das gleichfalls konkurrierende englische Roheisen III in Folge seines höheren Preises im genannten Absatzgebiete kaum noch in Betracht kommt.
QUELLE[Bettgenhäuser: Industrieen des Hzgt. Braunschweig I (1899) 100]


ZEIT1899
THEMAVerbilligung des Koks
TEXTDas wirksamste Mittel für die Reduktion der Gestehungskosten der Mathildenhütte wäre eine Verbilligung des Koks
franko Vienenburg, nicht zum wenigsten weil gerade die Mathildenhütte bezüglich des Koksverbrauches gegen alle anderen Hochofenbetriebe am ungünstigsten gestellt ist, indem wegen des geringen Eisengehaltes und der Schwerschmelzbarkeit der von ihr verwandten Erze der Koksverbrauch pro t Eisen ein ungewöhnlich hoher sein muß und daher der Betrag für den Koksverbrauch den bei weitem größten Posten in der Gestehungskosten-Zusammenstellung der Mathildenhütte bildet. Ein ganz besonderer Umstand kommt aber hier noch hinzu, welcher die Lage der Mathildenhütte der so überaus günstigen Lage der luxemburg-lothringischen Hochöfen gegenüber noch bedeutend verschlechtert und den Absatz des luxemburg-lothringischen Roheisens im natürlichen Absatzgebiet der Mathildenhütte noch weiter außerordentlich begünstigt. Es sollen nämlich für Gießerei-Roheisen auf den Königlich Preußischen Staatsbahnen Staffeltarife eingerichtet werden, welche für das luxemburg-lothringische Roheisen in das natürliche Absatzgebiet
der Mathildenhütte hinein eine Frachtermäßigung von ca. 3 Mk. pro t bedeuten, während die Mathildenhütte als nächstliegende wohl kaum eine kleine Ermäßigung der bisherigen Frachtsätze zu erwarten hat
QUELLE[Bettgenhäuser: Industrieen des Hzgt. Braunschweig I (1899) 101]


ZEIT1899
THEMAWohnverhältnisse der Beschäftigten
TEXTFür die Beamten und Arbeiter hat die Hütte ca. 50 Wohnungen engerichtet deren Miethspreis niedriger als der ortsübliche ist. Die Wohnungen sind von den Arbeitern deshalb sehr begehrt, weil sie nahe bei der Hütte liegen, gut und zweckmäßig eingerichtet und mit einigen Ruthen Gartenland versehen sind. Die Hüttenleitung beabsichtigt, demnächst noch weitere Wohnungen (für 18 Familien) einzurichten.
QUELLE[Bettgenhäuser: Industrieen des Hzgt. Braunschweig I (1899) 103]


ZEIT1899
THEMABetriebsanlagen der Hütte und Steinfabrik
TEXTDie Hütte auf hat einer Grundfläche von ca. 30 ha außer 3 Hochöfen: 11 Winderhitzer (Cowper), ferner 3 Gebläsemaschinen, 4 Henschel- und 4 Cornwallkessel, Schlackengranulation, grössere Anlagen zur Befreiung der Gichtgase von mitgeführtem Gichtstaube, Schmiede, Schlosserei, Schreinerei (sämtlich mit den nötigen Maschinen
ausgestattet) und eine Formerei, in der allerdings nur rohe Gußteile für den eigenen Bedarf und zwar aus direkt
dem Hochofen entnommenen, also nicht gereinigten, Eisen hergestellt werden. - Auf der Steinfabrik befinden sich 4 Mischapparate, 3 Steinpressen, von denen Tags über 2 und 1 des Nachts in Betrieb sind, 2 Kessel und 1 Betriebsmaschine. Zur Zeit werden Mischen und Pressen durch Dampf betrieben, von Anfang nächsten Jahres ab wird das aber durch elektrische Kraftübertragung geschehen. Das Werk hat außerdem eine elektrische Lichtanlage, ein eigenes Anschlußgleis von 1600 m, welches die Hütte mit Harzburg und Vienenburg verbindet, und zwei eigene Lokomotiven.
QUELLE[Bettgenhäuser: Industrieen des Hzgt. Braunschweig I (1899) 104]


ZEIT1899
THEMAGrube "Friederike"
TEXTHat eine Grundfläche von 157 ha. Der Eisenstein wird zur Zeit aus einer Teufe von 75 m gewonnen, man ist aber damit beschäftigt, um weitere 50 m abzuteufen. Die Grube Friederike ist insofern besonders interessant, als ihre Erzschichten nicht parallel zu dem Gebirge einfallen, wie es sonst der Fall zu sein pflegt, sondern gegen dasselbe, ein Beweis, daß eine starke Überkippung stattgefunden hat. Analyse des Friederike-Erzes: Kieselsäure 11,63 Prozent,
Tonerde 10,31 Prozent, Eisenoxyd 49,84 Prozent, Manganoxydul 0,27 Prozent, Kohlensaurer Kalk 15,23 Prozent, Kohlensaure Magnesia 1,30 Prozent, Phosphorsäure 1,10 Prozent, Chemisch gebundenes Wasser 10,32 Prozent. Der Eisenstein findet sich in drei Lagern von 5,3 und ca. 8 m Mächtigkeit. In ihm finden sich Versteinerungen in großer Anzahl, besonders Ammoniten, Gryphäen, Terebatelen.
QUELLE[Bettgenhäuser: Industrieen des Hzgt. Braunschweig I (1899) 104]


ZEIT1899
THEMAFlußspatgrube
TEXTZur Mathildenhütte gehört eine im Krummschlachttal zwischen Stolberg und Rottleberode am Harz gelegene Flußspatgrube, die ca. 100 Arbeiter beschäftigt und einen sehr guten Flußspat in bedeutenden Mengen fördert,
der sowohl in Stücken, als auch gemahlen in Deutschland, Oesterreich, Frankreich, Belgien, Rußland und Amerika Verwendung findet, teils in der Glas- und Zementfabrikation, teils in chemischen Fabriken zur Herstellung von Flußsäure und Flußsäurepräparaten.
QUELLE[Bettgenhäuser: Industrieen des Hzgt. Braunschweig I (1899) 105]